Stefan Burkhardt (Hrsg.)

Vita Arnoldi archiepiscopi Moguntinensis

Die Lebensbeschreibung des Mainzer Erzbischofs Arnold von Selenhofen. Edition, Übersetzung und Kommentar

Verlag Schnell & Steiner 2014, 292 Seiten,
mit festem Einband,
17 x 24 cm, €39
ISBN 978-3-7954-2940-9

Rezensent: Jana Paulina Lobe, Forschungsstelle
„Ordensgeschichte seit der Frühen Neuzeit“

Veröffentlicht: 25. Oktober 2021

„[…] unter dem unheilvollen Kriegsgott zerrten sie am Priester Gottes, wie es mit Fleisch auf dem Markt geschieht, direkt auf der Schwelle der Kirche in sühneheischender und schrecklicher Weise, wobei er durch das eigene Blut rot gefärbt und getauft wurde. Aus dem Fürsten, dem Erzbischof, dem Priester machten sie einen Märtyrer Christi und einen Zeugen des Glaubens in Ewigkeit.“ (187/189). Es sind drastische Szenen, die die letzten Minuten des Arnold von Selenhofen, Mainzer Erzbischof von 1153-1160 beschreiben. Von den Mainzer Bürgern wurde er grausam ermordet.

Seine Todes-, aber vor allem Lebensbeschreibung hat der Heidelberger PD Dr. Stefan Burkhardt in einer Neuedition und einer kommentierten Übersetzung herausgegeben. Nachdem er sich mit einer Arbeit über die erzbischöfliche Herrschaft zur Regierungszeit Kaiser Friedrich Barbarossas promoviert hatte, war der Historiker Burkhardt der geeignete Forscher für dieses Unterfangen. Der besprochene Band entstand im Rahmen des Forschungsschwerpunktes „Klöster im Hochmittelalter: Innovationslabore europäischer Lebensentwürfe und Ordnungsmodelle”, einem Gemeinschaftsprojekt der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. 

Die in 10 Unterkapitel geteilte, ausführliche Einleitung (9-51) gibt dem Leser umfassendes Vorwissen an die Hand, um sich dem Haupttext zu nähern. Dabei wird die Entstehung der Vita Arnoldi trotz vieler Leerstellen mit historisch-detektivischer Sorgfalt weitmöglichst zu rekonstruieren versucht. Zuvorderst geht Burkhardt auf die „Verfasserfrage“ ein (9-15), wobei er der These seines Doktorvaters Stefan Weinfurter folgt und diesen als „den erzbischöflichen Kapellar und Notar, sowie späteren Scholaster von St. Stephan in Mainz, Gernot“ (12) identifiziert, der für Arnold Urkunden ausstellte. Da das Strafgericht Barbarossas über die Stadt Mainz noch nicht erfolgt war, muss die Vita kurz nach Arnolds Ermordung abgefasst worden sein und dies wahrscheinlich nicht mehr in Mainz, wie in „Entstehungszeit und -ort“ (13) plausibel gemacht wird. Die Schrift diene gleich drei Zwecken, wie Burkhardt in „Intention und Aufbau“ (13-20) darlegt: zum einen sei sie Anklageschrift, zum zweiten eine Art Bekenntnis zu und Unterstützung für diejenigen, die für Arnold Partei ergriffen, zum dritten „eine Verteidigungsschrift im Kampf um die Erinnerung Arnolds mit dem Ziel der liturgisch verstetigten Memoria“ (14), in der Arnold zum Märtyrer stilisiert wird. Dem hagiographischen Charakter der Schrift entsprechend wird die Vorbildlichkeit von Arnolds Lebensführung und damit seine besondere Eignung für das Amt in einer Vielzahl von Topoi gerühmt, wenn ihn auch zeitgenössische Quellen des Zorns und der Verschwendungssucht bezichtigten. Als „Quellen und Vorlagen“ (21) dienten dem Verfasser die Bibel, Schriften aus der Liturgie und die Kirchenväter, jedoch war er wohl auch mit Werken der klassischen Antike vertraut. Die Aussagen zu „Sprache und Stil“ (22-23) fallen etwas lieblos aus und wirken in ihrer knappen Aufzählung von Stilmitteln so hölzern wie es Burkhardt an dem Latein des Verfassers moniert. Der das Unterkapitel eröffnende Satz „Das Latein des Verfassers ist geschliffen bei zitierten Stellen, in den selbst formulierten Teilen wird sein Stil umständlich bis hölzern […]“ (22) ist etwas unglücklich ausgedrückt. Ein lineares Lesen der Einleitung sollte bei diesem Unterkapitel unterbrochen werden, da es durchaus davon profitiert, wenn der Leser sich zunächst mit dem Haupttext vertraut macht. Besonders informativ sind die eingehenden Ausführungen zu dem „Quellenwert“ (24-41) der Vita Arnoldi, die Burkhardt in Personen, Örtlichkeiten und Ereignisse aufteilt. Der Überlieferungsgeschichte schließt sich eine kurze Beschreibung der drei erhaltenen Handschriften an. Die Vita ist in einem einzigen Textzeugen, einer Handschrift aus Würzburg aus der Zeit um 1500 überliefert, von der es zwei Abschriften gibt. Nach Johann Friedrich Böhmer (1853) und Philipp Jaffé (1866) legt Burkhardt hiermit die dritte Edition des Textes vor, wobei er sich auf die Würzburger Handschrift als Leithandschrift stützt. Die Angaben zu den zugrunde gelegten „Editionsprinzipien“ (43-44) fallen bedauerlicherweise etwas mager aus; hier wäre es wünschenswert gewesen, zur Textgestaltung sowie zum Vorgehen bei der Übersetzung ein wenig mehr zu erfahren, da der Autor durchaus einen durchdachten Ansatz verfolgt hat. Auf das Verzeichnis der verwendeten „Quellen und Literatur“ (44-49) folgt eines der „Abkürzungen und Siglen“ (49-50, hier stimmt das Unterkapitel nicht mit dem Inhaltsverzeichnis überein), bevor der Hauptteil mit Edition und Übersetzung der „Vita Arnoldi archiepiscopi Moguntinesis“ (51-193) beginnt.

Hierbei muss sich der Leser zunächst einen Überblick darüber verschaffen, wie Apparat und Kommentar den Haupttext flankieren: der in Kapitel unterteilte lateinische Text ist jeweils auf der linken Seite gedruckt, der mit Kleinbuchstaben bezeichnete Variantenapparat findet sich direkt unter dem lateinischen Text. Die Fußnoten mit Kommentar und Belegstellen schließen sich darunter an und sind fortlaufend beidseitig gedruckt, wobei die Setzung der Fußnote sowohl im Original als auch im übersetzten Text dem Leser wohl ermöglichen soll, die Übersetzung im Einzelnen besser nachzuvollziehen. Innerhalb des lateinischen Textes sind Vokabeln kursiv gesetzt, sofern sie eine Übernahme aus anderen Werken sind, auf welche die Fußnoten verweisen. Die Übertragung ins Deutsche hält sich die Waage zwischen Nähe zum Original und guter Lesbarkeit, sodass auch Leser, die des Lateinischen unkundig sind, sich einen Eindruck des Schreibstils verschaffen können. Die Vita gliedert sich in zwei Teile unterschiedlicher Länge. Im kürzeren Teil (Abschnitt 1-69, 52-148) werden Arnolds Jugend und Ausbildung, seine Wahl zum Erzbischof und seine Amtsführung, die Konflikte mit den Geistlichen und Ministerialen der Stadt sowie sein Dienst für den Kaiser geschildert. Der längere Teil (Abschnitt 70-99, 148-193) stellt die Eskalation der Auseinandersetzung bis zu Arnolds Ermordung in beinahe schmerzhafter Detailliertheit in den Mittelpunkt.

Dem Hauptteil folgt ein Stellenregister, das in Übernahmen aus der „Bibel“ (197-199) wie Übernahmen aus „Spätantike[r] und mittelalterliche[r] Literatur“ (199-202) unterteilt ist. Die Auslegung der Spätantike ist für diese Zwecke etwas weiter gefasst, sodass hierunter auch die klassischen Autoren Horaz, Juvenal, Lukan, Ovid und Sallust subsumiert sind. In dem sonst sehr gut gegliederten Werk fällt dieser Lapsus unangenehm auf. Das Buch beschließt ein „Register der Personen, Orte und Worte“ (203-292), das mit großer Akribie sämtliche in der Vita vorkommende Vokabeln sammelt, wobei Personen wie Orte leider etwas untergehen. Für eine bessere Navigation hätte sich ein gesondertes Register für diese beiden Kategorien möglicherweise als sinnvoll erwiesen. 

Diese kleinen formalen Unstimmigkeiten sollen jedoch nicht von einer Würdigung des ambitionierten und wohlkonzipierten Buchvorhabens abhalten. Stefan Burkhardt ist es mit der kommentierten Neuedition und Übersetzung gelungen, eine der wichtigsten Quellen zur Geschichte des hochmittelalterlichen Mittelrheingebiets zu erschließen. Durch den angenehm verständlichen Schreibstil können davon neben der Forschung auch interessierte Laien Einblicke in ein dramatisches Kapitel des Mainzer Erzbistums gewinnen, das einem Kriminalroman in nichts nachsteht.

Maximilian Röll

Maximilian Röll, Dr. phil.

Maximilian Röll, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle für die Geschichte des Bistums Limburg sowie an der Forschungsstelle „Ordensgeschichte seit der Frühen Neuzeit“.

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